- Juni 14, 2020
Autor/in: Sasa Stanisic
Kategorie: Roman
Erscheinungsjahr: 2019
Gerne können Sie in dieses Buch in unserem Laden reinlesen oder Sie bestellen es direkt in unserem Online-Shop und lassen es sich bequem nach Hause liefern.
Der Klappentext:
– Ausgezeichnet mit dem Deutschen Buchpreis 2019 –
HERKUNFT ist ein Buch über den ersten Zufall unserer Biografie: irgendwo geboren werden. Und was danach kommt.
HERKUNFT ist ein Buch über meine Heimaten, in der Erinnerung und der Erfindung. Ein Buch über Sprache, Schwarzarbeit, die Stafette der Jugend und viele Sommer. Den Sommer, als mein Großvater meiner Großmutter beim Tanzen derart auf den Fuß trat, dass ich beinahe nie geboren worden wäre. Den Sommer, als ich fast ertrank. Den Sommer, in dem die Bundesregierung die Grenzen nicht schloss und der dem Sommer ähnlich war, als ich über viele Grenzen nach Deutschland floh.
HERKUNFT ist ein Abschied von meiner dementen Großmutter. Während ich Erinnerungen sammle, verliert sie ihre. HERKUNFT ist traurig, weil Herkunft für mich zu tun hat mit dem, das nicht mehr zu haben ist.
In HERKUNFT sprechen die Toten und die Schlangen, und meine Großtante Zagorka macht sich in die Sowjetunion auf, um Kosmonautin zu werden.
Diese sind auch HERKUNFT: ein Flößer, ein Bremser, eine Marxismus-Professorin, die Marx vergessen hat. Ein bosnischer Polizist, der gern bestochen werden möchte. Ein Wehrmachtssoldat, der Milch mag. Eine Grundschule für drei Schüler. Ein Nationalismus. Ein Yugo. Ein Tito. Ein Eichendorff. Ein Sasa Stanisic.
Meine Meinung:
Um es vorneweg zu sagen :
Stanisic ist mit „Herkunft“ ein starkes Buch gelungen, das es absolut wert ist, gelesen zu werden.
Kraftvoll formuliert in einer lockereren und direkten Sprache ist der einfache Text leicht an 2-3 Nachmittagen zu schaffen. Die Lektüre macht Spaß
und am Schluss des Buches hat der Autor noch eine Überraschung parat wenn er ein Spiel mit dem Leser spielt und ihm verschiedene „Enden“ anbietet, die ausgewählt werden können.
Normalerweise mache ich mir nichts aus Bestsellern, im Gegenteil, ich bin da eher skeptisch und umso mehr,
als mit großem medialen Echo Stanisic“s neues Buch „Herkunft“ angekündigt wurde und der mit Buchpreisen überhäufte Autor,
für sein neues Werk auch gleich mit dem rennomierten „Deutschen Buchpreis“ ausgezeichnet worden ist.
Ich habe also „Herkunft“ bestellt bei BuchHomberg, erstmal zur Ansicht, vor allem, weil mich der Titel gereizt hat und ich noch nichts von Stanisic
gelesen hatte.
Im Buchladen schlage ich den Text willkürlich an zwei, drei Stellen auf, überfliege die Zeilen auf den Seiten 226, 66, schließlich Seite 6 … und bin überrascht,
wie sehr mir die schnörkellose und direkte Sprache des Autors auf Anhieb gefällt :
„Entdeckt hat sie der Totengräber.Wie alle Totengräber hat auch dieser ein Gebrechen.Er hört auf dem rechten Ohr nichts. Das kommt daher, dass er kein rechtes Ohr hat.
Abgefallen, als er noch klein war.Warum, das weiß niemand mehr.“ (S. 226)
Ich kaufe das Buch und stelle in den nächsten Tagen fest, dass Stanisic kein „leiser“ Autor ist
und dass „Herkunft“ auch keine wissenschaftliche Abhandlung zum Thema darstellt, wie man vielleicht denken könnte.
Nein, „Herkunft“ ist vielmehr die Geschichte einer Migration und die Geschichte einer beginnenden Demenz.
Sasa Stanisic, 1978 in Bosnien geboren, war 1992 als 14 Jähriger mit der Mutter vor dem Jugoslawien Krieg nach Deutschland geflohen
– der Vater kam später nach – und hat in einem Vorort von Heidelberg seine weitere Jugendzeit verbracht und ist dort zur Schule gegangen….
Nun hat der Autor seine persönlichen Geschichte geschrieben als ein Wanderer zwischen den Zeiten und Räumen, wo sich
Ereignisse, Erinnerungen, Reisen und Rückblicke kunstvoll miteinander vermischen, mal kauzig und komisch, dann wieder lakonisch und witzig formuliert
in kurzen, knappen Sätzen.
Es ist auch die Geschichte seiner Großmutter väterlicherseits, Kristina, und ihrer beginnenden Demenz.
Und da gelingen Stanisic ein paar ganz wunderbare Sätze wie z.B. :
„Es begann im Frühjahr 2016. Großmutter verlegte Dinge und konnte deren Abwesenheit nicht begreifen. Sie suchte nach dem richtigen Wort und
vergaß darüber, was zu sagen war….“ S.25
„Als meine Großmutter Kristina Erinnerungen zu verlieren begann, begann ich, Erinnerungen zu sammeln.“ S.64
„Ich glaube, dass es wenig Schlimmeres gibt, als zu wissen, wo man hingehört, aber dort nicht sein zu können.“ S. 174
Und weiter zum Thema „Herkunft“ :
„Herkunft ist Großmutter. Und auch das Mädchen auf der Straße, das nur Großmutter sieht, ist Herkunft“ S.66
„Herkunft sind die süß-bitteren Zufälle, die uns hierhin, dorthin getragen haben. Sie ist Zugehörigkeit, zu der man nichts beigesteuert hat.“ S.67
Fazit : „Herkunft“ ist ein sehr persönliches Buch und an keiner Stelle langweilig. Es ist witzig, kauzig, locker und direkt geschrieben und auch wenn sich Reales und Fiktives nicht immer
einfach trennen lassen, scheint es mir vor allem eins zu sein : EHRLICH.
Lim